A review by timefliesaway
Dur, Honey! by Reinhold Hartl

funny lighthearted slow-paced
  • Plot- or character-driven? A mix
  • Strong character development? It's complicated
  • Loveable characters? It's complicated
  • Diverse cast of characters? Yes
  • Flaws of characters a main focus? Yes

3.5

Für alle, die Stand Up Comedy mögen. 

Ich bin ein wenig zweigespalten mit meiner Meinung.
Einerseits finde ich solche „verrückten“ Geschichten total toll. Sie sind einfach verrückt, es gibt daran nichts ernst zu nehmendes und im Prinzip wie ein Fiebertraum. Keine Regeln, einfach der Kreativität freien Lauf lassen. Und die Ideen in dieser Geschichte sind auch an sich kreativ, mit einigen lustigen Lebensweisen, im Gegensatz zu unserer Welt.
Andererseits, wenn man es doch als eine Geschichte verkaufen will, dann nimmt es das „Freie“, wie vorher beschrieben, weg. Geschichten haben rote Fäden, sie haben Ziele und eine gewisse Tiefe. Und diese Geschichte hier mangelt dem allen ein wenig.

Ein Ziel gibt es, das wird zu Anfang gesagt, allerdings verfolgt der Protagonist es nicht aktiv und meint, er macht erstmal Urlaub in der Welt. 

Zwar kann man die Zeit nutzen, um die Welt zu entdecken, was er auch tut, aber hier mangelt es dann an Tiefe. Tiefe in der Welt selbst aber auch in den Charakteren.
Je mehr der Protagonist in der Parallelwelt umherirrte, desto mehr hat es mich an den Film „The Truman Show“ erinnert. Fühlt sich hier im Buch an, als wäre die satirische Welt eine Filmkulisse. Immer passiert irgendwas, wenn Leandro (der Prota) an einem Ort ist oder irgendwo hinschaut. Man bekommt aber nicht irgendwas zu sehen, was „hinter“ ihm sozusagen passiert. 
Da fehlt mir eben die Tiefe der Welt, also der Aufbau scheint nicht ganz vollständig zu sein. Womöglich liegt es auch daran, dass es ein bisschen zu bunt dort abgeht, und man sich fragt, wie die Leute dort leben können, wenn es gefühlt keine Gesetze gibt.
Deshalb scheint es so, als wäre Leandro in einem großen Filmstudio gelandet und jeder Schauspieler hat die Aufgabe bekommen, irgendwas verrücktes auf einer Kulisse mit anderen zu tun, sobald Leandro dort vorbeigeht oder -schaut. Aber keiner darf ihm irgendwas von dem Plan sagen. Ähnlich eben wie in dem Film, The Truman Show. 
Natürlich muss das nichts schlechtes sein, schließlich ist der Film ja auch sehr beliebt und bekannt, allerdings besteht der Unterschied darin, dass diese Geschichte nicht als solche verkauft wird. Also wenn es keine Filmkulisse ist, dann braucht man eben ein bisschen mehr Tiefe. 

Die Charaktertiefe fehlt dadurch, dass, genau wie die Ideen, viele Charaktere oft nur in einer Seite vorkommen und dann nie wieder. Es gibt also echt immens viele Nebencharaktere und da verliert man schnell den Überblick. Manche kommen ja wieder, deshalb weiß man nicht, ob man sich den Namen nun merken soll, oder nicht. Und selbst dann wirkt jeder relativ flach, auch wenn derjenige exzentrische Eigenschaften hat, aber diese eben immer nur mit der Idee im Plot einhergehen. 

Es gab immer wieder Highlights in einzelnen Kapiteln – einige davon sind:
- Die Geständnisse auf dem Mond
- Die Fahrschilder
- Der „Saturnalien“-Tag
- Das Traumkamel
- Der Verlag und dessen Typenschreibmaschine
- „Die Unart der Überfälle“
- Gutscheine zum Lachen
- Die Bewerbungsmappen
- Die „Theater-Unterwelt“
- Der Dieb, der nicht klauen wollte
 
Aber nach einer Weile waren es mir doch zu viele Ideen, sodass es mich irgendwann gelangweilt hat. Obwohl die Ideen an sich weiterhin gut sind. Aber, joa… zu viele auf einmal, da wollte ich irgendwann nur eine Pause. 
Ich glaube, das liegt hauptsächlich daran, dass die Witze und Beschreibungen aller Szenen immer recht kurz gehalten wurden. Dadurch wirkt es oberflächlich, als würde man einem Besucher einfach nur eine Liste vorlesen, was alles in dieser Welt anders ist, ohne denjenigen es wirklich erleben zu lassen. Obwohl es der Protagonist tut: er ist mitten im geschehen und man erkundet die Welt mit ihm. Wie gesagt bleibt aber alles oberflächlich und kurz, und bevor man den Witz richtig genießen kann, kommt schon gleich der nächste dahergerannt. Manche der Scherze hätte man ruhig etwas länger sitzen lassen können.

Die letzten 50 Seiten fand ich toll, aber das kann auch daran liegen, dass es mich an DC’s „Legends of Tomorrow“ erinnert hat und das meine Lieblingsserie aus den USA ist. Nun ja, *an sich* fand ich es toll, aber im Großen und Ganzen hat es nicht wirklich zum Buch gepasst. Wirkt ein wenig so, als ob der Autor noch unbedingt was Spannendes einbauen wollte. Hat zwar einerseits geklappt, da ich die Seiten wirklich endlich spannend fand, nach dem Motto: da rührt sich endlich was. 
Dennoch passt es nicht ganz zum Rest; hätte sich mehr als ein eigenes, separates Buch geeignet. 

Das World-building ist auch nicht ganz in sich schlüssig bzw. kontinuierlich. Einerseits fragt man sich, wie die Welt in Stand bleibt, wenn es gefühlt keine Gesetze gibt. Andererseits passieren Ereignisse, die anscheinend nicht üblich sind, sondern nur von der Person abhängen, aber genau wird das nicht bestätigt. 
Zum Beispiel ist einmal ein Mann aus einem Gebüsch gesprungen, als Leonardo jemand neues kennengelernt hat, und hat jeweils die Lebensgeschichte der beiden erzählt. Da denkt man sich, „ah, okay, das ist in der Welt so. Anstatt sich gegenseitig vorzustellen, gibt es eine Berufung dafür“. Allerdings ist das nur einmal vorgekommen, obwohl Leonardo vielen weiteren neuen Leuten begegnet. 
Und das auch mit einigen anderen Dingen… Zum Beispiel den Fragebögen nach einer Nacht.

Ebenso find ich, hätte man die Ideen ruhig noch absurder machen können. Schließlich soll es ja ein „Alice im Wunderland“ sein. Aber während Alice im Wunderland ein Fiebertraum war, war das hier mehr wie ein langer Tagtraum.

~

Ich glaube, ich bin wohl nicht ganz die Zielgruppe dafür. 
Wer gerne Bühnenkomödien schaut, für die ist es sicherlich mehr was. Ich mag zwar verrückte Geschichten, allerdings mehr in Richtung DC’s LoT und weniger Stand Up Comedy. 

Trotzdem find ich cool, dass es solche satirischen Geschichten gibt, und bin durchaus dafür, dass der Autor mehr sowas schreibt. 
(Nächstes Mal aber vielleicht ein bisschen weniger misogyne Kommentare, außer, es passt zum Inhalt und/oder bewirkt einen Zweck.)

~

Vielen Dank für das Rezensionsexemplar. 

-13.01.24