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A review by timefliesaway
Mânil - Einfach nur der Anfang by Desiderius M. Rainbow
dark
emotional
funny
inspiring
mysterious
relaxing
tense
medium-paced
- Plot- or character-driven? A mix
- Strong character development? It's complicated
- Loveable characters? Yes
- Diverse cast of characters? Yes
- Flaws of characters a main focus? Yes
4.0
Ich weiß gar nicht, wo ich anfangen soll. Teilweise bin ich echt begeistert von dem Roman und würd am liebsten gleich weiterlesen. Andererseits gab es auch ein paar Kleinigkeiten, die ich nicht mochte, und auch wenn es nicht großartig meine Bewertung beeinflusst, haben sich einige davon immer wieder gehäuft, was mich schon sehr genervt hat.
~
Fangen wir aber mit dem Positiven an:
- Der Schreibstil!
Er ist so wunderbar.
Teilweise ist es umgangssprachlich und normalerweise stört mich das, aber hier passt es super rein! Passt total zu den Charakteren und macht es damit persönlicher, weil es wie ein Tagebuch aussieht – was es in einer Weise auch für die Charaktere sein soll.
Wenn ich den Stil beschreiben müsste, dann würde ich sagen „kantig“. Aber nicht im negativen Sinne, sondern eher… sechzehneckig? Auf jeden Fall sehr viele Ecken, sodass es fast rund wirkt. Weshalb dann nicht rund? Weil er nicht sanft ist. Die Wortwahl ist sehr abwechslungsreich mit immer wieder „exzentrischen“ Wörtern hier und da, und natürlich auch noch die eigenerfundene Sprache, die viele K’s hat und damit auch „kantig“ ist.
Ich lieb’s.
- Sehr eigene Charaktere
Ja, Charaktere sind eigentlich immer „eigen“, so aus prinzipieller Sicht, allerdings nicht immer in der Umsetzung. Viele Charaktere sind oft sehr ähnlich in Geschichten – nicht nur Büchern – und dienen mehr dazu, die Welt zu füllen, sind aber einfach nur „NPCs“ und keine richtigen Charaktere.
Das war hier nicht der Fall.
Zwar haben die Hauptcharaktere und Protagonisten sehr viel untereinander gemacht und damit waren die Nebencharaktere sowieso weniger präsent, aber trotzdem wurden diesen Eigenschaften gegeben, die sie von anderen hervorstechen lässt. Alle haben mindestens drei Eigenschaften, die sie ausmachen und man sie damit immer gut erkennt.
Ebenso wie der Schreibstil, gibt es auch hier einige exzentrische Charaktere, was mega Spaß macht, zu lesen.
Meine Favoriten sind Suketo, Naima und Lilian.
- Knisternde Chemie auf jeder Ebene
Wenn man Chemie zwischen Charakteren erwähnt, denken die meisten gleich an Romance und/oder Sex. Und auch wenn es diese Chemie hier ebenfalls gibt, knistert es auch sehr viel und oft platonisch zwischen Charakteren!
Genauso was die Charaktere an sich angeht, ist der Autor sehr gut darin, es knistern zu lassen. Vor allem, wenn es noch eine slow-burn Beziehung ist…
Obwohl es ein Shipping gibt, das eine romantische Beziehung bekommt, ich die zwei aber nicht shippe und demnach am Anfang auch nichts romantisch gesehen habe… nun, shippen tu ich sie immer noch nicht, aber ich seh zumindest die Chemie zwischen ihnen. Wenn auch eher platonisch, aber ich bin zumindest nicht „gegen“ die Beziehung.
Mein Favorit, was die Chemie angeht, ist aber glaub ich die eine Hassliebe. Welche Charaktere das sind, könnt ihr mal schön selbst herausfinden! Auf jeden Fall spürt man die Funken gerade in der 2. Hälfte, aber langsam und „subtil“.
Und auch die Geschwister haben Geschwister-Freundschaften, die relativ realitätsnah sind, denk ich. Als Einzelkind kann ich es nicht genau beurteilen, aber sie sind zumindest nicht extrem beste Freunde, aber auch nicht ständig im Krieg. So’n gutes Zwischending. Bzw. geht es schon Richtung bffs, aber ärgern tun sie sich trotzdem.
- Kreative Magiewelt
Überrascht hat mich anfangs, das die Menschheit über Magie bescheid weiß, es also kein Geheimnis ist. Ich bin zwar mehr Fan von solchen „Geheimgesellschaften“, vor allem, wenn Magie mit im Spiel ist, war aber keine schlechte Sache. Mânils Eltern wissen demnach auch, dass er auf eine Magieschule wechselt und generell, dass er Magie hat. Fand ich interessant, denn, auch wenn in Geschichten Magie kein Geheimnis ist, sind Teenager doch sehr geheimnistuerisch gegenüber Eltern/Familie.
Abgesehen davon liebe ich aber vor allem die Schule, auf die Mânil geht. Erstens ist das Gebäude an sich super interessant und kreativ, aber auch der Unterricht selbst. Einmal die unterschiedlichen und teils ähnlichen Fächer zu seiner alten Schule, wie Geschichte, Mathe, Biologie, etc. Trotzdem haben diese magische Elemente – bei Geschichte fliegen zB Geister durch den Raum, die „live Kino“ zu den Geschehnissen, über die der Lehrer berichtet, geben. Wenn Geschichtsunterricht auf meiner Schule so spannend gewesen wäre, wäre es sicher mein Lieblingsfach!
Außerdem hat der Lehrer einen Garten, mit sehr exzentrischen Pflanzen. Die meisten wollen einen attackieren oder gerade die, die der Lehrer selbst nicht leiden kann.
Dann gibt es einen Experimentierplatz, bei dem die Solekorek (Schüler) vor allem Regen üben. Einfacher als gesagt, denn Wasser regnen zu lassen ist anscheinend schwerer als man denkt. Aber gut, dass die Schule auch eine Heilerin hat!
In einem Unterrichtsfach lernen sie übrigens auch, mit Gegenständen zu reden. Da Gegenstände sehr stur sind, kann man manchmal stundenlang mit ihnen reden. Stell dir mal vor, du besuchst jemanden, der gerade seine Hausaufgaben macht: sitzt vor einem Stift und streitet sich mit ihm. Spätestens dann merkst du, dass das keine Schule, sondern ein Irrenhaus ist. XD
Die Idee, dass Magier, die sich in Verwandlung spezialisieren, (oft) gespaltene Persönlichkeiten haben, ist auch sehr gut. Endlich mal DIS Repräsentation, ohne dass diese Charaktere die Antagonisten/Bösewichte sind!
Außerdem ist cool, dass Magier sich selbst aussuchen können, wie sie ihre Magie ausüben und dies durch ihr Studium herausfinden. Zb durch Zauberstäbe, Formeln, Zauberkugeln oder doch nur Handbewegungen.
Ebenso gefällt mir die Sprache – Skikapherra – sehr. Es gibt ein Wortverzeichnis mit phonetischem Alphabet am Anfang des Buches, also keine Sorge diesbezüglich!
- Alltag ist spannend
Meine Lieblingsstellen im Buch waren vor allem immer die alltäglichen Dinge, wo Mânil einfach nur seinen Fächern nachging und seine Magie übte, aber auch einfache Konversationen zwischen Charakteren.
Ich hätte diese spannenden Stellen oder Krisen zwischendrin eigentlich gar nicht gebraucht. Der Schreibstil und aber auch die exzentrischen Charaktere machen den einfachen Alltag schon spannend genug. Am liebsten hätte ich nur über ihre „langweiligen“ Tage gelesen. Slice of life eben.
~
Zu den negativen Aspekten. (Lasst euch aber nicht abschrecken, ich bin nur schlecht im Kurzfassen!)
- Die Äußerlichkeiten
Ganz am Anfang haben mich vor allem die Parenthesen genervt, bzw. die falsch geschriebenen. Ja, ich weiß, hier handelt es sich um einen Millimeter, aber es stört dennoch. Nämlich wurden diese meistens als normaler Bindestrich geschrieben. Zur Vorlage:
Bindestrich: -
Parenthese: –
Parenthese: –
Irritierend war dabei, dass es manchmal (wenn auch selten) richtig geschrieben wurde. Dann ist die Frage, ob der Lektor es übersehen hat (wobei sich fragt, wie, wenn es recht viele "Bindestriche" gibt) oder nicht mal drauf geachtet?
Außerdem wurden die Anführungszeichen nur sehr selten unten angebracht und eher im englischen Stil. Wobei, nicht mal...:
Englisch: “Text”
Deutsch: „Text“ oder »Text« (Schweiz: «Text»)
Hier: "Text"
Ich hatte in einem Deutschaufsatz da mal gründlich über die Ohren bekommen, als ich es versehentlich wie im Englischen oben geschrieben hab und seitdem stets immer darauf achte (zumindest in literarischen Texten). Bin mir ziemlich sicher, dass Lektoren das demnach auch wissen. Es sei denn, meine Deutschlehrerin war die einzige, die das weiß und ernstgenommen hat?
Hier ein Bild dazu: https://typefacts.com/media/pages/artikel/anfuehrungszeichen/a3d3d22a59-1662375785/anfuehrungszeichen-02.png
Wieder frage ich mich, wie dass der Lektor übersehen haben kann. Vor allem, weil zwischendrin – selten – die auch mal unten geschrieben wurden. Also wenn man's falsch macht, dann wenigstens einheitlich.
- Geschlechtsidentitätskrise
Ich bin selbst gender-queer und daher finde ich es überhaupt nicht schlimm, wenn sowas behandelt wird. Mich stört nur, wie oft es hier vorkommt und es keine richtig Entwicklung dabei gibt. Vor allem aber auch, wie heteronormativ es teilweise ist.
Mânil erwähnt immer wieder, dass er einen eigenartigen Kleidungsstil hat, der weder männlich noch richtig weiblich ist.
Mal abgesehen davon, dass es mich generell stört, wenn man Kleidungsstücken Geschlechter zuteilt, ist es fraglich, warum immer nur die Rede von männlich & weiblich ist. In 2022 aber vor allem auch als queerer Autor, sollte man doch wissen, dass m & w nicht die einzigen Geschlechtsidentitäten sind, oder? Und auch wenn der Protagonist oft erwähnt, er ist vermutlich androgyn, fängt es paar Seiten später wieder mit m&w an.
Generell bin ich kein Fan von solchen Krisen, da ich einfach viel lieber über Charaktere lese, die sich selbst akzeptieren wie sie sind und nicht länger darauf rumreiten. Pluspunkt, wenn sie auch noch stolz auf sich sind.
Mânil war da ziemlich gespalten diesbezüglich.
Einerseits ist er zB sehr stolz auf seine Vorliebe für die Farbe pink und ärgert seine Freunde gern damit. Das fand ich toll.
Andererseits wird trotzdem oft erwähnt, dass er damit ein Mädchen ist, denn die Farbe ist ja so weiblich – ihr wisst schon, dass pink/rosa bis zum letzten Jahrhundert eine Männerfarbe war? Und selbst heutzutage tragen einige (cis-hetero) Männer oft pinkfarbene Anzüge, ohne, dass das irgendwo ein Problem darstellt oder sie als Mädchen/gay bezeichnet werden. Von daher ein bisschen übertrieben, wie sehr pink eine Mädchenfarbe im Buch ist.
Und warum muss er sich entscheiden? Warum muss er einen Label finden? Schon klar, dass sich manche mit Labels wohler fühlen, aber das wurd ja so nicht gesagt und scheint viel mehr von außen zu kommen. Eine feste Antwort von ihm wie: „ich bin ich und das passt so momentan” zu den anderen, oder eben: „ja, die ganze Diskussion ist an sich nicht so wichtig, ich muss mich ja noch nicht entscheiden, aber würd gern einfach selbst wissen, wie ich mich identifiziere” als innerer Monolog, hätte ich gern.
Bzw. was mich an der Sache auch stört, ist, dass eben diese Kommentare gemacht werden, bezüglich seiner Weiblichkeit. Kann ein Mann nicht feminin sein? Muss man gleich trans oder non-binary sein, wenn man beide Qualitäten in sich ausbalanciert? Hier hätte man vor allem heteronormativen Lesern zeigen können, dass dominante Weiblichkeit in einem Mann diesen nicht gleich Queer machen.
Frauen, die Hosen tragen, sind ja auch nicht gleich Queer, oder? Warum sind es Männer in Röcken/Kleidern oder Stiefeln mit Absätzen dann?
- Leicht misogyn
Die Charaktere an sich sind zwar nicht unbedingt misogyn, aber der Autor wirkt so. Wenn auch subtil.
Weibliche Charaktere im Buch sind zumindest entweder schwächer, haben keine Magie oder sind anderweitig unterwürfig. Und selbst wenn sie als stark beschrieben werden, müssen sie trotzdem von Männern gerettet werden.
Eine Solekorek (Magieschüler/in) hat zum Bsp. gar keine Magie (sie persönlich findet es zwar nicht schlimm, aber warum ist der einzige Schüler, der keine Magie hat, weiblich?). Die einzig andere Solekorek soll zwar durchaus stark sein und viel Magie haben, kann diese aber nicht gut kontrollieren und musste mehrmals gerettet werden (von Männern natürlich).
Außerdem werden alle Frauen immer als „schön“ (vom Aussehen her) bezeichnet. Gibt es keine hässlichen Frauen in der Welt? Oder müssen sie so sehr auf ihr Aussehen achten, dass alle Männer sich nur „schön“ denken können, bei ihrem Anblick?
- Protagonist ist ein Wunderkind
Diesen Trope kann ich echt nicht ausstehen. Dass der Protagonist alles besser kann als andere Charaktere, vor allem die, die es schon seit Jahren lernen/studieren und auch den Ruf haben, extrem mächtig zu sein. Dann kommt aber ein Teenager daher, meint, er habe noch nie was von Magie (gefühlt) gehört, und ist besser als die besten, ohne selbst zu wissen, was er da tut. Und dann schafft er auch noch Dinge, von denen gesagt wird, man bräuchte mindestens ein Jahr Übung und auch dann erfordere es viel Konzentration, während er es in einer Handbewegung hinkriegt und es ihn nicht mal annähernd schwächt.
Okay, wenn es sich dabei auf nur eine Sache beschränkt, und es eben nur eine Spezialität ist, in Ordnung. Aber nicht, wenn sie auf einmal in fast allem besser sind.
Mânil hat zwar ein paar Schwächen hier und da, und ihm gelingt auch nicht alles sofort, und natürlich muss er auch weiter trainieren. Dennoch war er im Großen und Ganzen deutlich überlegener, was mir einfach zu extrem ist.
Ich kann zwar bis zu einem gewissen Grad verstehen, dass der Trope durchaus interessant sein kann, aber ich bin eher Fan von Logik und vor allem mag ich keine Angeber, die auch noch von allen gesagt bekommen, was für besondere Genies sie sind. Vor allem, wenn dieser Protagonist dann auch noch ständig an sich selbst zweifelt.
Das erinnert mich zu sehr an die fake-depressiven Teenager online, die aufmerksamkeitsgeil sind. Ich hasse diesen Trope leider wirklich sehr.
~
Basierend auf der Länge der negativen Punkte, fragen sich einige bestimmt, warum die Bewertung doch so hoch ausgefallen ist, wenn es eigentlich so aussieht, als nervt mich viel mehr. Das ist aber nicht der Fall. Ja, es nervt mich viel, aber wie jemand mal sagte: “Being angry at someone you love doesn’t mean you stop loving them; it just means you care enough to get frustrated with their actions.“
Ich liebe das meiste in der Geschichte, und weil ich es liebe, stören mich diese „Kleinigkeiten“ eben umso mehr.
Dennoch aber ein gelungenes Buch, das ich weiterempfehle. Gerade der Schreibstil und die Charaktere (bzw. die Chemie der Charaktere) überzeugen.
Wer auch noch eine Prise Queer haben möchte (Protagonist ist bi & androgyn, ein Hauptcharakter ist aro), gerade in Fantasygeschichten, der sollte es sich definitiv auf die Liste tun!
Bin schon sehr gespannt auf den 2. Band.
~
Vielen Dank an den Autor für ein Rezensionsexemplar!
(Die Meinung ist meine eigene und wurde davon nicht beeinflusst.)
-21.01.24